Das ging schneller als gedacht...

Hallo alle zusammen, 

in letzter Zeit ist viel bei mir passiert. Zuerst fand das Zwischenseminar statt, bei dem wir wieder unsere Erlebnisse und Erfahrungen reflektieren konnten, offene Fragen geklärt haben, eine Aussicht auf das letzte halbe Jahr bekommen haben und als Gemeinschaft die Zeit zum Abschalten genießen konnten. 

Danach ging es für uns, wie angekündigt in unseren Urlaubsmonat März. In der ersten Woche reiste ich mit Smila nach  Kolumbien. Wir haben in Cartagena das  historische Hipster- und Künstlerviertel bewundert, im karibischen Wetter geschwitzt, die Altstadt besichtigt und die Urlaubszeit einfach sehr genossen. Neben der beeindruckenden Stadt, die den Spaniern als wichtige Infrastruktur diente, haben wir auch die Festung der Spanier besichtigt. Diese wurde extra für die Abwehr von Piraten gebaut und war sogar noch mit den Kanonen aus der damaligen Zeit ausgestattet. 

Im Künstler- und Hipsterviertel "Getsemani" war nicht nur unser Hotel und viele beeindruckend schöne Wandmalereien, sondern auch viele Bars und Streetfood-Stände. Die warmen Abende und Nächte wurden somit nie langweilig und auch die Tageszeit, in der man ohne zu schwitzen das klimatisierte Hotelzimmer verlassen konnte.

Kurze Zeit nach dem Rückflug aus Kolumbien sind wir in den Dschungel von Peru, genauer nach Tarapoto gereist. Dort haben wir vor allem wegen der ersten Corona-Infektionen und der damit einhergehenden Unsicherheit in Peru nur eine Tour zum Wasserfall Ahuashiyacu machen können. Es war sehr beeindruckend im "Vor-Dschungel" herum zu laufen und im kalten Auffangbecken des 35 Meter hohen Ahuashiyacu zu baden. Ich kam mir in der kleinen und sehr bewachsenen Schlucht, die man zum Wasserfall läuft, ein bisschen so vor, wie in einem tropischen Gewächshaus in einem zoologischem Garten. Die Luft war heiß und feucht.. An den Wänden tropfte und lief Wasser herunter- und das obwohl der tatsächliche Dschungel erst viele Kilometer später beginnt! Nachdem wir von der Tour zurück gekehrt waren, machten wir uns sofort auf den Weg zum Flughafen, um früher als geplant nach Lima zurückkehren zu wollen.

Unseren Urlaub haben wir in der Form verfrüht beendet, um einer häuslichen Quarantäne in Tarapoto zu entgehen. Somit kamen wir am Abend am Samstag, 14 März wieder in Lima an. Damit haben wir die richtige Entscheidung getroffen, da die peruanische Regierung am nächsten Tag ihren Kurs unerwarteter und radikaler Maßnahmen fortsetzte. Die Regierung erließ am Abend für zwei Wochen den nationalen Notstand, der in den kommenden zwei Wochen immer weiter verschärft wurde. Das bedeutet, dass ab dem 16. März bis mindestens zum 13. April nur eine Person pro Haushalt einmal am Tag das Haus verlassen darf und das auch nur mit den im Internet beantragten Passierscheinen. Passierscheine erhält man im Alltag ausschließlich für den Lebensmitteleinkauf, einen Gang zur Bank, einen Besuch bei der Versicherung oder die Fahrt zur Tankstelle. Auch ist eine vollständige Ausgangssperre zwischen 20 und 5 Uhr verhängt. Durch die vollständige Schließung aller Landesgrenzen ist nicht nur eine unserer Volontärinnen mit ihrer Freundin fast in Bolivien sitzen geblieben, sondern es ist für viele Peruaner auch nahezu unmöglich in ihr Land zurück zu kehren. Bei Verstoß gegen diese Maßnahmen drohen bis zu drei Jahren Gefängnis. Die Straßen werden von Militär und Polizei kontrolliert. Man könnte meinen, die Reaktion der peruanischen Regierung sei übertrieben. Ich finde allerdings, dass in anbetracht der teilweise sehr ausgeprägten Armut, der schlechteren Standards im Gesundheitssystem, der mangelden Hygiene und der deutlich geringeren staatlichen Mittel, trotz der geringen Falllzahlen (71 Infizierte bei Ausrufen des nationalen Notstands), richtig reagiert wurde.

Es ist auch jetzt bereits sehr dramatisch, wie viele Peruaner ihre Existenz bedroht sehen müssen. Ich spreche da nicht von der finanziellen Existenz, sondern vom eigenen Leben. Schätzungsweise sind 10 Millionen Peruaner vor eine nahezu unüberwindbare Aufgabe gestellt. Sie leben von dem Geld ihrer täglichen Arbeit und sind nicht offiziell bei ihrem Arbeitgeber registriert, wodurch sie ihren Lohn nicht weiter erhalten (gesetzlich sind Arbeitgeber dazu verpflichtet ihren Angestellten trotz Quarantäne weiterhin Lohn zu zahlen) oder haben keinen Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung. Für die registrierten Menschen hat der Staat zwar eine Bonuszahlung sichergestellt, diese kommt allerdings nicht der einen Million illegal in Peru lebenden venezuelanischen Flüchtlingen zugute, sondern nur den offiziell registrierten Peruanern (9 Millionen) und ist auch sehr gering. Vereinzelt haben sich Menschen bereits in kleineren, spontanen Aufständen gegen die Quarantäne aufgelehnt, es kam jedoch meines Wissens nach zu keinen größeren oder länger anhaltenden Widerständen. Wie sich diese Lage bis zum möglichen Ende der vorraussichtlichen Quarantäne am 13. April verhält,  ist allerdings sehr schwer einzuschätzen. 

Unsere Organisation hat uns einen Tag nach dem Erlass des nationalen Notstandes mitgeteilt, dass wir als Freiwillige bei der nächsten Möglichkeit das Land verlassen werden und unser Freiwilligendienst in der uns bisher bekannten Form auf keinen Fall mehr weiterlaufen wird. So saßen wir in Quarantäne und meldeten uns, so wie etwa 4000 weitere Deutsche in Peru, bei der Botschaft für die Rückholflüge nach Deutschland an. 

Für uns Volontäre stellte  es sich die Situation mit seiner Gastfamilie zwei Wochen "eingesperrt" zu sein wirklich wie ein worst-case Szenario dar. Es sind zwar sehr nette Menschen, allerdings macht die andere Kultur jedem von uns immer wieder sehr zu schaffen. Unsere interkulturelle Kompetenz wurde also auf den Prüfstand gestellt, könnte man sagen. Für mich war die Situation sogar verhältnismäßig entspannt, da ich mit einem relativ großem Zimmer, einer Dachterasse und nur zwei Peruanern im Haushalt sehr viel mehr Platz als andere Mitvolontäre hatte. Auch ist das ältere Ehepaar, bei denen ich lebte, eher gesetzt und machte mir daher die Zeit sehr leicht. Tatsächlich war die Zeit, da ich auch etwas Distanz und Ruhe für mich hatte, den Umständen entsprechend okay. Dass meine Eltern und Geschwister eigentlich am ersten Samstag der Quarantäne nach Peru kommen wollten, um drei Wochen mit mir gemeinsam durchs Land zu reisen, machte die Situation natürlich nicht besser. Ich wollte einfach bei meiner Familie zu Hause in Deutschland sein und nicht in einem fremden Land, einer fremden Kultur und einer so ungewissen, vielleicht auch gefährlichen Lage. Vor allem die Ungewissheit fühlte sich so überwältigend und unüberwindbar an, dass die Stunden oft einfach nicht vergingen. 

An diesem ersten Samstag in der peruanischen Quarantäne erhielt ich einen Anruf der deutschen Botschaft. Sie sagten mir, dass ich für einen Flug am Montag eingeplant sei. Da war meine Freude natürlich fast so groß wie die Aufregung. Am Sonntag hatte ich bereits alle Sachen gepackt und wartete somit nur noch auf die Mail der Botschaft, in der alle Details zum Flug stehen sollten, als mich die Botschaft erneut anrief, um mir zu mitzuteilen, dass die peruanische Regierung der deutschen Maschine keine Landeerlaubnis erteilt hat. Das Problem, mit dem sich die Botschaft konfrontiert sah, war, dass der zivile Teil des Flughafens in Lima vollständig gesperrt ist. Somit müssen alle Staaten, die Rückholflüge für ihre Bürger organisieren, um eine Landeerlaubnis am militärischen Teil des Flughafens bitten. Dort sind die Kapazitäten für den klassischen zivilen Luftverkehr leider sehr begrenzt. Es sind weder Sicherheitschecks eingerichtet, noch Wartesäle vorhanden. Aus diesen Gründen musste ich also bis zum Mittwoch warten, an dem ich erneut angerufen wurde. Es hieß, dass ich am nächsten Tag ausgeflogen werden kann!

Außer mir wurden auch Lea, Vera und Smila am Donnerstag ausgeflogen. 

Am Donnerstag um fünf Uhr morgens nahm ich meine bereits gepackten Koffer und begab mich auf die abenteuerliche Reise nach Deutschland. Mit dem Taxi und den Passierscheinen kamen Smila und ich ohne große Probleme durch die Straßensperren der Polizei bis zum Treffpunkt des Fluges. 

Von dort wurden wir, nachdem der Papierkram geklärt war, per Bus-Shuttle durch das peruanische Militär zum Flughafen der "Fuerzas Armadas" (Militärflughafen) gefahren. Nach der provisorisch durchgeführten Emigration und dem ebenso provisorischen Sicherheitscheck wurden wir in den Flieger gebracht. In der Lufthansa-Maschine befanden sich auch nicht-deutsche EU-Bürger und Israeliten, die keinen landeseigenen Rückholflug nutzen konnten. 

Am Freitag den 27.03.kamen wir nach über 10 Tagen Quarantäne endlich wieder in Deutschland an. Nach dem fast 13-stündigen Direktflug nach Frankfurt war ich natürlich heilfroh endlich gesund und in Deutschland meine Familie wiederzusehen. Im Auto habe ich mich erstmal mit einem deutschen Mettbrötchen gestärkt (in Peru ist rohes Hack ungesund und gefährlich) und auf der Fahrt nach Hause war ich sehr beeindruckt von der deutschen Landschaft. 

Jetzt bin ich bereits ein bisschen angekommen und genieße die Zeit mit meiner Familie sehr! Ich glaube es wird aber noch etwas dauern, bis ich mit meinen Gedanken wieder vollständig in Deutschland bin. 

Es war wirklich ein Abenteuer, in dem ich Gottes Schutz und seine Leitung spüren durfte. Ich bedanke mich auch von ganzem Herzen, nicht nur beim Personal der deutschen Botschaft, sondern insbesondere bei allen, die hier in Deutschland für mich gebetet und mitgefiebert haben. Davon zu wissen hat mir sehr viel Kraft gegeben und mich auch durch diese schwere Zeit getragen.

Bisher ist es ungewiss, wie und ob mein Freiwilligendienst fortgesetzt werden kann. Sollte ich den Dienst hier in Deutschland forsetzen, werdet ihr natürlich davon erfahren.

Vielleicht fragt ihr euch jetzt, wie es mit der Unterstützung weiterlaufen kann, wenn es ungewiss ist, ob ich den Dienst überhaupt fortsetze. Dazu habe ich euch hier einen kleinen Artikel verfasst. 


Ich euch Gottes Schutz und Segen in dieser Zeit.

Passt gut auf euch auf und handelt natürlich verantwortungsvoll. ;)

 

Liebe Grüße aus dem schönen Deutschland,

Euer Thiemo!